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Sensorische und motorische Systeme haben unterschiedliche Strukturen und Funktionen. Dennoch können Organismen, ausgestattet mit einem von beiden oder nach dem Verlust (Zerstörung) eines der beiden, nicht überleben. Es bedarf des Zusammenspiels des sensorischen und motorischen Systems, um Wahrnehmung, Planung und motorische Reaktion der Situation angepasst vorzunehmen. Hierzu dienen die neuronalen Verknüpfungen im Sinne eines sensomotorischen Koordinationssystems.
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Das sensorische System ist die Quelle der integrativen und kognitiven Funktionen des Großhirnes und das Steuerorgan für das lokomotorische System. Die nervalen Zusammenhänge verlaufen als Kreisbahn, z. B. bei der Planung einer Bewegung. Entlang dieser Kreisbahn, von der Hirnrinde zur Peripherie und zurück zur Hirnrinde bestehen auf allen Ebenen, Kortex, subkortikale Zentren, Assoziationszentren, Thalamus, Hirnstamm, Rückenmark, bis hin zu den Erfolgsorganen Querverbindungen. Zwischen dem motorischen und sensorischen System befindet sich das in der Hierarchie der Funktionen des Nervensystems an der Spitze stehende System der integrativen und kognitiven Funktionen, Geist und Seele. Neben dem Zusammenwirken dieser drei Teilsysteme existiert ein enges Kooperationssystem von Motorik und Sensorik.
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Das sensomotorische und motosensorische Kooperations- und Kontrollsystem stellt eine gegenseitige neuronale Vernetzung von den Rezeptoren bis zur zentralen Wahrnehmung und von der motorischen Cortex bis zu den lokomotorischen Einheiten dar.
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Evolution des sensomotorischen Kooperationsystems
Die sensomotorische Kooperation der Organismen entwickelte sich schon zu Urzeiten der Evolution. Das Beispiel Euglena (nach Linder - Biologie) beweist, dass bereits Einzeller mit einfachen neuronalen Apparaten ausgestattet sein können, um Daten aus der Umwelt (hier Licht) aufzunehmen und in eine motorische Reaktion, z. B. Aufsuchen von mehr oder weniger Helligkeit mit Hilfe des Antriebsmotors Geißel durchführen zu können.
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Die Invertebraten haben bereits vielgestaltige aber noch wenig leistungsfähige Nervensysteme entwickelt. Mit den Wirbeltieren kam dann eine erhebliche Zunahme der Neuronenmasse, die Teilung in sensorische, motorische und autonome Teilsysteme. Das Zentralnervensystem erfuhr eine höhergradige Differenzierung und hierarchische Gliederung. Darüber hinaus wurde ein Kontrollsystem der Motorik durch sensible Erregungs- oder Hemmorgane und ein Kontrollsystem der Sensorik durch motorische Erregungs- oder Hemmeinrichtungen entwickelt. An der Spitze der Hierarchie entwickelten sich kortikale Assoziationszentren, welche, untereinander neuronal vernetzt, ein übergeordnetes, vernunftgesteuertes, emotional tingiertes, den Überlebensstrategien bewusstes Verhalten und Steuern ermöglicht.
Sensorische Kontrolle lokomotorischer Systeme
Das sensorisch gesteuerte lokomotorische System besteht aus zwei Teilsystemen:
- das Stütz- und Halte-Teilsystem
- das Teilsystem der Zielmotorik.
Die Stütz- und Haltemotorik fixiert die beweglichen Skelettteile in einer bestimmten gewünschten oder automatisch eingestellten Körperhaltung, häufig für größere Zeiträume, z. B. Sitzen am Schreibtisch. Dabei werden Veränderungen der Einflüsse von außen fortlaufend korrigiert. Solche Korrekturen oder das Verweilen in einer Haltung läuft im Unbewussten über das Rückenmark ab.
Strukturelle Voraussetzungen sind einmal afferente Nervenbahnen, welche Auskunft geben über Länge der Muskeln (Muskelspindeln sind Sensoren), die Spannung der Sehnen (Sehnenorgane) und Gelenkrezeptoren, die die Gelenkstellung vermitteln (Tiefensensibilität). Die Leitungsbahnen sind: Rezeptor, Nerven, Spinalganglien, Rückenmark. Efferente Fasern der Motoneurone lösen über motorische Endplatten Muskelkontraktionen aus (vgl.
Skelettmuskel/Biochemische Reaktionen). Die Zellkörper der Motoneurone liegen im Vorderhorn der grauen Substanz des Rückenmarks. Dort treten sie über "Wurzeln" aus, bilden periphere Nerven, deren Fasern jeweils ein Kollektiv von Muskelzellen erregt (Motorische Einheit). Afferente und efferente Neurone sind im Rückenmark verschaltet. So entstehen sensorisch-motorische Funktionskreise, die zentralen Elemente der Haltemotorik. Sie werden
Reflexbogen und dann, wenn Sensor und Erfolgsorgan in demselben Muskel liegen,
Eigenreflexbogen genannt. Reflexbögen bilden drei Funktionskreise:
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Efferent |
Afferent |
Erster Kreis |
Alpha-Motoneuron (α-Motoneuron) |
Fasern der Muskel- und Sehnenrezeptoren |
Zweiter Kreis |
Gamma-Motoneuron (γ-Motoneuron) |
Fasern der Muskelspindeln mit Hemmwirkung zum γ-Motoneuron |
Dritter Kreis |
Axonkollaterale des α-Motoneuron aktiviert Rens-hawZelle |
Zwischenneuron (Renshaw-Zelle) Renschaw-Zelle hemmt α-Motoneuron |
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Plötzliche Dehnung der Muskulatur (eine Einwirkung von außen) führt zu einer Aktivitätszunahme mit Frequenzsteigerung der Aktionspotentiale in den Motoneuronen und als dessen Folge zu einer Muskelkontraktion und Vermeidung einer Veränderung der Körperhaltung. Dies kann man täglich beobachten, wenn Menschen stolpern oder ausrutschen. Eine Muskelkontraktion als Resultat einer Verschaltung von Nerven- und Muskelzellen, ein Reflex (oder Eigenreflex) führt zur Entspannung des Sensors (Muskelspindel) und dann der Erschlaffung des Muskels. Eigenreflexe sind vorwiegend
Streckreflexe, z. B. am Oberschenkel.
Zielmotorik
Zielmotorik ist Bewegung. Sie überlagert die Stütz- und Haltemotorik, welche gerade bei Körperbewegungen ihre höchste Aktivität entwickelt. Bewegungen können bewusst oder unbewusst erfolgen. Letztere werden durch das Rückenmark gesteuert. Rezeptor und Erfolgsorgan sind getrennt, daher Fremdreflexbogen (z. B. heißes Eisen, reflektorisches Einziehen der Hand). Hierbei sind mehrere Schaltungen im Rückenmark und die Innervation mehrerer Erfolgsorgane (Muskelgruppen) erforderlich. An Armen und Beinen überwiegen in der Zielmotorik (Fremdreflexe) die
Beugereflexe. Fremdreflexe dienen dem Schutz (Schutzreflexe), z. B. vor hohen Temperaturen der Ernährung (Nutritionsreflexe) z. B. Schlucken, Verdauungssäfte sezernieren u.ä., und der Anpassung, z. B. Korneal- oder Pupillenreflex.
Bewusste Bewegungen, abgestimmt auf ein bestimmtes Ziel, mit maßvollen Geschwindigkeiten und Kräften, verlangen über die Funktionen des Rückenmarks hinaus die Mitbeteiligung einer Reihe von Hirnzentren. Geplante Motorik (Willkürmotorik) entwickelt durch häufige Wiederholungen eine Automatisierung, z. B. die Arbeit am Fließband.
Greifen ist immer eine sichtgesteuerte Bewegung (Visomotorik). Hier, wie bei anderen bewussten Bewegungen, liegt eine afferente (sensorische) Information vor. Tiere suchen in der prallen Sonne den Schatten auf. Fehlende Schweißdrüsen werden durch Baden oder Suhlen ersetzt.
Weitere Details der Sensomotoik werden in
Skelettmuskulatur, Physiologie aufgezeichnet.
Kontrolle sensorischer Systeme durch und in Kooperation mit efferenten, teils motorischen Impulsen
Sensorische Systeme bestehen aus den folgenden anatomischen Bausteinen und Funktionen: Sinnesorgan (Sinneszellen) - Reiz - Nervenfaser - Nervenzellen (Ganglienzellen) - Rückenmark - Gehirn.
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Am Beispiel des Auges zeigt die Leitung von optischen Reizen und den Ort der kooperativen oder kontrollierten Einflüsse efferenter motorischer Neuronen. Das sensorische System ist neben den afferenten Fasern (Informationsfluss von den Rezeptoren) mit einem efferenten "Signalfluss" ausgestattet. Diese efferenten Kontrollen greifen in allen Etagen der sensiblen Leistung ein: In unserem Beispiel des visuellen Systems ist dies die mimische Muskulatur: Augen bei zu hellem Licht zukneifen, Weite der Pupillen anpassen, Einstellung der Linse auf die Entfernung (Einstellung auf den Reiz).
Am Rezeptor und den Synapsen lösen efferente Neuronen eine erregungsfördernde oder erregungshemmende Funktion aus. Diese Kontrollfunktion dehnt sich vom Sensor bis in die Assoziationsfelder der Hirnrinde aus. So wird das sensorische System auf die Umweltbedingungen eingestellt (z. B. Tag- und Nachtsehen).
Sämtliche Sinnesorgane sind mit zahlreichen primären Rindenarealen und Assoziationsfeldern verbunden. Jeweils nur ein Teil von diesen wird in einen afferenten Impuls einbezogen. Die Erregungsausbreitung ist begrenzt. Die Erregungshemmung findet bei Bedarf an allen Synapsen statt, den peripheren, medullären, subkortikalen, kortikalen und assoziativen. Eine Hemmung des Informationsflusses wird bei Bedarf durch Umleitung über hemmende Neuronen erreicht (laterale Hemmung).
Pathologie des sensomotorischen Systems
Die Pathologie der
sensomotorischen und efferenten
Koordination und Kontrolle ist die Pathologie des sensorischen und motorischen Systems (vgl.
Lokomotorisches System, Pathologie). Eines oder beide Systeme können durch Verletzungen oder Erkrankungen lädiert sein. Dann tritt ein Zustand schwerster Behinderung auf. Motorik ohne sensorische Kooperation ist ein Nichts. Menschen sind so nicht lebensfähig (z. B. wegen der fehlenden Funktion des digestorischen Systems). Sensorik ohne motorische Realisierung verursacht "absolute Hilflosigkeit". Menschen verbrennen, weil sie sich nicht vor dem Feuer retten können. Die Erkrankungen des sensorischen und motorischen Systems wurden in den vorausgegangenen Abschnitten (vgl.
Stütz- und Bewegungsapparat) aufgezeichnet.
Die spezifischen Läsionen der Kontroll- und Koordinationssysteme betreffen vor allem traumatische Schädigungen, Entzündungen, degenerative Veränderungen der Neuronen und Rezeptoren sowie der Nervenleitung. Diese Erkrankungen werden in den folgenden Abschnitten aufgegriffen.