Für eine adäquate Diagnostik und Therapie von Parodontalen Erkrankungen ist eine allgemeingültige Klassifikation wichtig. Aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse auf dem Gebiet der Parodontologie und Implantologie wurde im Rahmen des Workshops „World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri-implant Diseases and Conditions“ der European Federation of Periodontology (EFP) und der American Academy of Periodontology (AAP) eine neue Klassifikation erarbeitet, die parodontale sowie peri-implantäre Erkrankungen und Zustände definiert. Diese neue Klassifikation wurde erstmalig im Juni 2018 auf der EuroPerio9 vorgestellt und ersetzt somit die bis dahin geltende Klassifikation aus dem Jahr 19991. Die Klassifikation parodontaler und peri-implantärer Erkrankungen und Zustände wird in insgesamt vier Hauptgruppen unterteilt. Die ersten drei Hauptgruppen beschreiben die parodontalen Erkrankungen und Zustände. Die vierte Hauptgruppe definiert die peri-implantären Erkrankungen und Zustände.
Im Folgenden werden die einzelnen Hauptgruppen vorgestellt. Die erste Hauptgruppe „Parodontale Gesundheit, Gingivale Erkrankungen/Zustände“ beleuchtet erstmals auch den Zustand des gesunden Parodonts und schließt somit auch Patienten nach einer erfolgreichen Parodontitisbehandlung mit ein. Zusätzlich wurde bestimmt, dass das Bluten auf Sondieren (= BAS, engl. BOP) der primäre Parameter zur Identifikation einer Gingivitis sein soll2, 3, 4. Des Weiteren wurde beschrieben, dass eine alleinige Gingivitis mit Hilfe von geeigneten und individuell angepassten Prophylaxe-Maßnahmen in einen gesunden Zustand überführt werden kann. Dem gegenüber steht der Patient mit einer diagnostizierten Parodontitis, welcher auch bei erfolgreicher Therapie einer lebenslangen unterstützenden Nachsorge bedarf, um eine erneutes Aufflammen der Erkrankung zu verhindern2, 5.
ANZEIGE:
Zahnimplantate,
Parodontosebehandlungen,
Aesthetische Zahnbehandlungen
zu sehr guten Konditionen
- Parodontale und gingivale Gesundheit3
- Klinische gingivale Gesundheit bei intaktem Parodontium
- Klinische gingivale Gesundheit bei reduziertem Parodontium
- Patient mit stabiler Parodontitis
- Patient ohne Parodontitis
- Gingivitis – Biofilm-induziert6
- assoziiert mit bakteriellem Biofilm allein
- vermittelt durch systemische oder lokale Risikofaktoren
- medikamenten-induzierte Gingivahyperplasie
- Gingivale Erkrankungen – nicht-Biofilm-induziert7
Genetische/Entwicklungsbedingte Störungen
- Spezifische Infektionen
- Inflammatorische und immunologische Zustände
- Reaktive Prozesse
- Neoplasien
- Endokrine, Ernährungsbedingte und metabolische Erkrankungen
- Traumatische Läsionen
- Gingivale Pigmentierung
Die zweite Hauptgruppe „Formen der Parodontitis“ beschreibt drei Formen der Parodontitis, welche die nekrotisierenden Erkrankungen und die Parodontitis als Manifestation von systemischen Erkrankungen beinhalten. Zusätzlich wurden die Formen „chronisch“ oder „aggressiv“ in der Hauptgruppe „Parodontitis“ zusammengeführt
2, 8-12.
Für eine detaillierte Definition der Parodontitis wurde im Rahmen der neu erarbeiteten Klassifikation ein multidimensionales Staging und Grading System eingeführt, welches aus der Onkologie bekannt ist
2, 12. Dabei beschreibt das Staging (= Parodontitis-Stadium) den Schweregrad der Erkrankung und die Komplexität der Behandlung (siehe Tabelle 1)
2 und wird ergänzt durch die Angabe, ob es sich um eine lokalisierte, generalisierte oder eine Form mit Molaren-Inzisiven-Beteiligung handelt. Das Grading (= Parodontitis-Grade) gibt ergänzende Informationen hinsichtlich biologischer Merkmale und Progressionsrate (siehe Tabelle 2). Mit Hilfe dieses Systems können individuelle patientenbezogene Faktoren in die Diagnose einbezogen werden
2.
- Nekrotisierende parodontale Erkrankungen13
- Nekrotisierende Gingivitis
- Nekrotisierende Parodontitis
- Nekrotisierende Stomatitis
- Parodontitis als Manifestation von systemischen Erkrankungen14, 15
Die Klassifikation dieser Zustände sollten auf den primären systemischen Erkrankungen gemäß International Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) Codes basieren.
- Parodontitis 9, 10, 11
- Stadium: Basierend auf dem Schweregrad und der Komplexität in der Durchführung
Stadium I: Initiale Parodontitis
Stadium II: Moderate Parodontitis
Stadium III: Schwere Parodontitis mit Potenzial für zusätzlichen Zahnverlust
Stadium IV: Schwere Parodontitis mit Potenzial für Verlust der gesamten Dentition
- Ausmaß und Verteilung: lokalisiert, generalisiert, Molaren-Inzisiven-Beteiligung
Parodontitis-Stadium |
Stadium I |
Stadium II |
Stadium III |
Stadium IV |
Schweregrad |
Interdentaler KAV an der Stelle mit dem höchsten Verlust |
1–2 mm |
3–4 mm |
≥ 5 mm |
≥ 5 mm |
Röntgenologischer Knochenabbau |
Koronales Wurzeldrittel (< 15 %) |
Koronales Wurzeldrittel (15-33 %) |
Ausdehnung bis ins mittlere Wurzeldrittel oder darunter |
Ausdehnung bis ins mittlere Wurzeldrittel oder darunter |
Zahnverlust |
Kein Zahnverlust aufgrund von Parodontitis |
Zahnverlust aufgrund von Parodontitis von ≤ 4 Zähnen |
Zahnverlust aufgrund von Parodontitis von ≥ 5 Zähnen |
Komplexität |
Lokal |
Maximale Sondierungstiefe von ≤ 4mm, meist horizontaler Knochenabbau |
Maximale Sondierungstiefe von ≤ 5mm, meist horizontaler Knochenabbau |
Zusätzlich zur Stadium II-Komplexität: Sondierungstiefe ≥ 6mm
Vertikaler Knochenabbau ≥ 3mm
Furkations-beteiligung Grad II oder III
Moderater Kieferkammdefekt |
Zusätzlich zur Stadium III-Komplexität: Notwendigkeit für komplexe Rehabilitation aufgrund von:
Mastikatorischer Dysfunktion,
Sekundärem okklusalem Trauma (Zahnlockerungsgrad ≥ 2)
Schwere Kieferkammdefekte,
Bisskollaps, Zahnwanderung, Auffächerung,
Weniger als 20 verbleibende Zähne (10 gegenüber-liegende Paare) |
Ausmaß und Verteilung |
Als Deskriptor zum Stadium hinzufügen |
Für jedes Stadium Beschreibung des Ausmaßes als lokalisiert (<30% der Zähne betroffen), generalisiert oder Molaren-Inzisiven-Beteiligung |
Tabelle 1: Parodontitis-Stadium: KAV = klinischer Attachmentverlust 8
- Grad: Anzeichen oder Risiko für eine schnelle Progression, erwartete Reaktion auf Behandlung
- Grad A: Langsame Progression
- Grad B: Moderate Progression
- Grad C: Schnelle Progression
Parodontitis-Grade |
Grad A Langsame Progression |
Grad B Moderate Progression |
Grad C Schnelle Progression |
Primäre Kriterien |
Direkte Evidenz für Progression |
Longitudinale Daten (röntgenologischer Knochenabbau oder KAV) |
Keine Evidenz für Knochenabbau in 5 Jahren |
Evidenz für < 2mm Knochenabbau in 5 Jahren |
Evidenz für ≥ 2mm Knochenabbau in 5 Jahren |
Indirekte Evidenz für Progression |
% Knochenabbau/Alter |
< 0,25 |
0,25–1,0 |
> 1,0 |
Fall-Phänotyp |
Viel Biofilmablagerungen mit wenig parodontaler Destruktion |
Parodontale Destruktion im gleichen Ausmaß wie Biofilmablagerungen |
Parodontale Destruktion überschreitet die Erwartungen angesichts der Biofilmablagerungen; spezifische klinische Muster hinweisende auf Perioden schneller Progression und/oder früher Ausbruch der Erkrankung (z. B. Molaren-Inzisiven-Beteiligung, Therapieresistenz bei antibakterieller Standarttherapie |
Grad-Modifikatoren |
Risikofaktoren |
Rauchen |
Nichtraucher |
Raucher < 10 Zigaretten/Tag |
Raucher ≥ 10 Zigaretten/Tag |
Diabetes |
Normoglykämisch/keine diagnostizierte Diabetes |
HbA1c < 7,0% bei Diabetes-Patienten |
HbA1c ≥ 7,0% bei Diabetes-Patienten |
Tabelle 2: Parodontitis-Grade: KAV = klinischer Attachmentverlust 8
Die dritte Hauptgruppe „Parodontale Manifestationen bei systemischen Erkrankungen sowie entwicklungsbedingte und erworbene Zustände“ fasst systemische Erkrankungen zusammen, deren orale Manifestation eine Parodontitis sein kann. Darunter fällt neben genetischen Erkrankungen, wie z. B. das Papillon Lefèvre Syndrom, auch ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus
2. Denn auch dieser kann einen schlechten Einfluss auf den Verlauf einer Parodontitis haben. Zusätzlich werden alle weiteren Zustände aufgezeigt, die das Parodont negativ beeinträchtigen.
- Systemische Erkrankungen oder Zustände mit Einfluss auf das Parodont15
- Andere parodontale Zustände8, 13
- Parodontale Abszesse
- Endo-Paro-Läsionen
- Mukogingivale Deformation und andere Zustände in der Umgebung Zähne16
- Gingivaler Phänotyp
- Rezessionen von Gingiva/Weichgewebe
- Mangel an Gingiva
- Reduzierte vestibuläre Tiefe
- Abweichende Bändchen-/Muskelposition
- Gingivale Hyperplasie
- Abnorme Färbung
- Freiliegende Wurzeloberflächen
- Traumatische okklusale Kräfte17
- Primäres okklusales Trauma
- Sekundäres okklusales Trauma
- Kieferorthopädische Kräfte
- Zahnersatz- und Zahn-bezogene Faktoren welche eine plaque-induzierte gingivale Erkrankung/Parodontitis begünstigen18
- Lokalisierte Zahn-bezogene Faktoren
- Lokalisierte Zahnersatz-bezogene Faktoren
Die vierte Hauptgruppe „Peri-implantäre Erkrankungen und Zustände“ fasst alle peri-implantären Zustände von Gesundheit bis zu einer Erkrankung des Implantat umgebenden Gewebes zusammen. Dabei wird die peri-implantäre Gesundheit durch eine Abstinenz von Entzündungszeichen und Bluten auf Sondieren charakterisiert
2. In diesem Kontext ist wichtig, dass diese Gesundheit bei normalem und auch reduzierten Knochenangebot existieren kann
2, 19, 20